Betet, fromme Schweizer!

Ich mag die schwere Kraft der israelischen Hymne Ha’tikva (übersetzt: die Hoffnung). Die Melodie spielt in einer Tonart reserviert für Melodrama. Nur eine Handvoll anderer Nationalhymnen weltweit sind in Moll gehalten (Irak, Tadjikistan et al).

Der Text der Ha’tikva endet in einer Art stolzen Durchhalteparole: Die Hoffnung auf ein Leben als freies Volk in unserem Land (Zion, Jerusalem) ist nicht verloren, “solange noch im Herzen eine jüdische Seele wohnt”.

Hier die israelische Hymne, präsentiert von Néstlé:

Wir waren heute beim Botschafter geladen zum 1. August-Empfang mit Raclette, Schweizer Weissem und eben den beiden Hymnen ab Band (zuerst Israel, dann die Schweiz). Niemand hat mitgesungen. Weder bei den wenigen Israelis noch bei den zahlreicheren Schweizern regte sich was. Ich war enttäuscht. Ich vermute, es gehört zum diplomatischen Protokoll. Die Mehrzahl der Gäste waren Geschäftsträger anderer Länder.

Als ich die Schweizer Hymne dann zuhause anstimme, ist Gabi erstaunt ob all der Beterei und Gottesfürchtigkeit in unserem Psalm. Hier im Heiligen Land zu sitzen, von frommen Seelen und betenden freien Schweizern zu singen, kommt mir auch eigenartig vor. Jetzt alle zusammen:

«Trittst im Morgenrot daher,
Seh’ich dich im Strahlenmeer,
Dich, du Hocherhabener, Herrlicher!
Wenn der Alpenfirn sich rötet,
Betet, freie Schweizer, betet!
Eure fromme Seele ahnt
Eure fromme Seele ahnt
Gott im hehren Vaterland,
Gott, den Herrn, im hehren Vaterland.»

Update vom Sept 2013: Der Tagi publiziert ein Interview mit einem Lukas Niederberger, der per 1. Januar 2014 eine Initiative startet, um die Hymne zu modernisieren. Weil sie “eine Kreuzung aus Kirchenlied und Wetterbericht” sei und nicht zeitgemäss (hier geht’s zum Interview).

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