Sonnig, Raketenschauer am späteren Nachmittag möglich
Unser Grosser nimmt am Morgen gerne als erstes mein Telefon und berichtet uns die Wettervorhersage. Dann wählt er Hose und Hemd kurz oder lang, je nachdem ob’s am Mittag unter oder über 20 Grad ist. Meist ist’s bisher drüber, in diesem Winter.
Come rain or shine: Man trägt jetzt Waffe. Nicht (nur) als Fetisch oder Hobby. Der eine Vater bei uns in der Schule setzte sich in den letzten 12 Monaten sehr öffentlichkeitswirksam für verhaftete Anti-Netanyahu-Demonstranten ein. Neulich nach Schulschluss hatte er gut sichtbar eine Pistole an der Hüfte stecken. Wer sich bei den Rechten und Nationalisten Feinde macht, muss wohl ihre Sprache sprechen.
Im Kaffee wo ich zum Arbeiten einmal die Woche bin, sitzt auch oft der eine oder andere junge Mann, meist in Uniform, mit M16 auf den Knien. Auf dem Weg zum Klo wird’s dann immer eng zwischen den Tischen. Ich denke: sollte ich ihm einen Kaffee ausgeben? Danke sagen dafür, dass er heute Nachmittag wenn er zurück bei der Truppe ist, möglicherweise in Gaza Hamasniks (oder irgendwen) erschiesst?
In der Strasse vorm Kaffee kreuze ich einen Typen mit angeschmuddeltem schwarzem T und Hoodie, der seinen kleinen weissen Hund Gassi führt. Auf seinem Pulli steht weiss und gross ‘Aroma Waffen – Schiess-Instruktor’. Aus dem Hosenbund lugt eine elegante handliche Pistole in silber/grau.
Gestern im Büro sagt mir meine Mitarbeiterin um vier schon: “Ich bin dann mal weg,” sie wohnt in unserer Ecke, nördlich von Tel Aviv. Dann sagt sie “und du solltest auch besser dann mal los.”
Ihr Mann arbeitet irgendwas mit Luftwaffe – was immer das im Drohnen- und Abfangraketen-Zeitalter heisst – ich packe meine sieben Sachen und mache mich auf den Weg aus der Stadt. Das ganze Land erwartet die Eskalation im Norden. Man lebt Normalität auf Zeit. Tatsächlich seh ich dann, gab’s in Tel Aviv noch Alarm, später an diesem Nachmittag. Nicht bei uns.
Am Abend dann donnert’s draussen am Himmel. Dann fallen schwere Tropfen. Ein Gewitter.