Archive

Corona

“Bitte kühl lagern und sofort geniessen.” steht auf jeder Schachtel Luxemburgerli.

Sie waren als feines Mitbringsel und Lichtblick in düsteren Zeiten gedacht – dann wurde mir klar, die sind ja sicher auch verseucht. Kann ja keiner essen hier.

Heute haben wir sie trotzdem erledigt. Corona-Seuche hin oder her.

Jetzt bleiben noch die Schoko-Goldhasen, die stehen unberührt auf dem Regal. Wie lange hält’s das Virus auf so einem Schokohasen aus? Bis Ostern sind die bestimmt geniessbar …

Gestern nieste ich 3 Mal. War es Corona-Niesen? Gut möglich. Es hat sich anders angefühlt als sonst, trockener, bin ich überzeugt. Jedes Zwicken und jedes Räuspern ist Corona-verdächtig. Heute Morgen dann wird mir warm und wärmer – Fieber?

Ich öffne das Fenster.

Draussen scheint die Sonne. Es ist gegen 30 Grad warm. Kein Fieber. Frühling in Tel Aviv.

Hoffen wir, dass Corona nicht gut kann mit warm. Dann wird am Ende die Erderwärmung das Coronavirus erledigen.

Oder umgekehrt: Corona löst das Problem der Erderwärmung – weil die Welt endlich stillsteht, innehält, Flugzeuge bleiben am Boden, die Wirtschaft kühlt ab, und endlich, endlich kann sich die Natur erholen von all dem Billigflieger-Globalisierungs-Wahnsinn der letzten Jahrzehnte …

Das Coronavirus die Strafe für unsere Sünden? Eine Korrektur, eine schmerzhafte Kur? Wir wussten ja schon lange, dass wir etwas ändern müssen!

Quatsch! Das Coronavirus ist eine Entwicklung der Amerikaner, um das Regime in Iran zu destabilisieren – sagen die Regierenden in Iran.

Quatsch! Die Panik um das Coronavirus ist eine Erfindung der Medien und der Demokraten, um Trump’s Wiederwahl zu torpedieren – sagt Donald Trump.

In unserem Corona-Quarantäne-Chat auf Whatsapp wird über alles gesprochen, nur nicht über die Gesundheit. Man niest, aber man hat’s ja nicht, man ist nur pro Forma in Quarantäne …

Hoffen wir dass es so bleibt!

Das Schwierigste ist nachwievor, nicht am Familienleben teilnehmen zu können. Manchmal setz ich mich oben auf die Treppe und schaue zu wie die andern ihr Leben führen.

Wie ich so hocke und zuschaue und ignoriert werde, fühl’ ich mich wie der frisch Verstorbene in einer Film-Komödie. Der Geist, der zusehen aber nicht mitspielen kann.

Oder wie ein Haustier, das zwar ein paar Tricks drauf hat, und das alle süss finden, das aber ansonsten vor allem gefüttert werden will, und das nicht wirklich etwas zum Alltag beiträgt.

Im Quarantäne-Chat auf Whatsapp hat mich derweil einer der Schweizer zu einem Morgenspaziergang um 5AM eingeladen.

“Alles leer, keine Menschen auf der Gass..”

Wäre ja schön, aber was, wenn ich erwischt werde bei unsrem Morgestraich? Ich hab’ mich beim Gesundheitsministerium wie gefordert online zur Quarantäne angemeldet. Vermutlich ist meine Akte jetzt mit rot C markiert, und wenn mich eine der Gesichtserkennungs-Kameras auf der Strasse entdeckt, werde ich gemeldet und – was dann? Wird meine Quarantäne zur Strafe verdoppelt? Werd’ ich gebüsst? Zwangs-Quarantänt? Deportiert nach Nord-Italien oder China?

Und was erst, wenn wir zu zweit, zu dritt unterwegs sind? Gefasst: Das ist die Schweizer Corona-Bande wird’s dann in den Zeitungen heissen. Rücksichtslose Schweizer, die um die Häuser Tel Avivs ziehen und ihr Virus verteilen während die nichts-ahnende Stadt noch schläft…

Ich bin jetzt in einem WhatsApp-Chat mit einer Gruppe ein-quarantänten Schweizern. Wir tauschen Corona-Witze, klagen über unser Leid, vergleichen Fotos der Mahlzeiten die wir gereicht bekommen, und diskutieren den Tagesablauf in Quarantäne. (Denn ein guter Schweizer braucht auch in Quarantäne einen ordentlichen Plan mit Frühsport, klar definierten Arbeitsstunden und Arbeitspausen, und einem Projekt für die Freizeit. Wie beispielsweise der Frühlingsputz im Kleiderschrank.)

Wir verlassen unsere Zimmer nicht, und wenn wir Kontakt zum Rest der Familie haben, treten wir uns gerüstet mit Gesichtsmaske und Handschuhen gegenüber (mindestens 2 Meter Abstand, Fenster offen). Beim besten Willen kann ich mir nicht vorstellen, dass Israelis dieses Regime durchziehen.

Nebst der Bedenken und der Angst um die Gesundheit, ist der (nicht) Kontakt zur Familie das Schwierigste an der Quarantäne.

Unsere gemeinsame Hoffnung: dass wir alle gesund bleiben und in 14 Tagen um eine spezielle Erfahrung reicher sind.

Ich hocke seit gut 24 Stunden in Quarantäne, isoliert wegen Coronaverdacht, Begründung: 3 Tage Schweiz-Aufenthalt, Verbleibende Zeit: 13 Tage.

Es ist ja wohl eines dieser Erlebnisse im Leben, wo man erst denkt: “Nu, is ja gar nicht so schlimm …”. Ich freu mich soviel lesen, arbeiten, klavierspielen zu können wie ich will. Und ich freu mich auf die Nacht ohne tretende und schreiende Kids im Bett.

Aber ich befürchte, ab dem zweiten oder dritten Tag wird die Quarantäne ihr wahres Gesicht zeigen …

Konkret sitze ich bei uns zuhause im Büro, oben aufm Dach – was wir sonst auch immer mal als Gästezimmer nutzen. Ich schlafe auf der Luftmatratze. Im Gästebad steht ein Teekocher. Idyllisch.

Wir werden sehen. Oberste Priorität: niemanden anstecken, und selber schön gesund bleiben.

“In Israel fühl ich mich sicherer als in Europa” – die letzten Jahre hörte ich das immer dann, wenn’s in Deutschland oder Frankreich Terroranschläge auf jüdische Ziele gab. Ich dachte immer: so ein Stuss (jiddisch für ‘Unsinn’), das ist doch Äpfel mit Birnen verglichen.

Jetzt hör ich’s wieder dass Leute sagen hier sei’s viel sicherer als irgendwo sonst. Israel macht die Grenze dicht, um Corona draussen zu halten. Das ist machbar hier, denn der einzige echte Grenzübergang ist der am Ben Gurion Flughafen. Und da weiss man genau wer wann woher kommt und kann Corona-Verdächtige gleich postwendend zurückschicken.

“Recht so”, sagen viele, so bleiben wir gesund.

Flüge nach Asien und ins verseuchte Europa gibt’s kaum mehr. (Nur in die USA wird weiter fleissig gereist, denn dort hat Netanyahu’s Intimus Donald Trump ja die Coronakrise zu 100% vorhergesehen und alles unter Kontrolle. Da kann man die Amerikaner natürlich nicht auf eine Seuchenliste setzen zusammen mit den Europäern und den Asiaten. Oder erst mit vornehmer Verzögerung, jedenfalls.)

Nur: Kann sich das kleine Israel mit einem strikten Quarantänen-Regime wirklich raushalten? No way. Das Virus ist ja längst hier.

Und mir wäre lieber, die Fliegerei ginge weiter, denn wenn hier das chronisch überlastete Gesundheitswesen unter der Last tausender Coronapatienten kollabiert in ca 2 Wochen, hätte ich gerne die Option kurz in die Schweiz zu fliegen. Da stehen bestimmt noch einige tausend Beatmungsgeräte als Reserve in Armeekrankenhäusern aus dem kalten Krieg.

“Gesundheit!” allerseits – und immer schön Hände waschen und in die Armbeuge husten und niesen.