Bange Tage des Terrors. Bange Tage des Krieges.
Wir sind privilegiert, müssen bisher nur drei, vier Mal in den Schutzraum. Doch der Terror im Süden, die Nachrichten vom Überfall der Hamas vor einer Woche, sitzen uns tief in den Knochen und die Angst vor einer weiteren Eskalation liegt schwer im Bauch.
Wir halten die Bubble aufrecht für die Kids.
Wir arbeiten so gut es geht.
Letzten Samstag, Sirenen um halb sieben Morgens, wir erwachen und stehen im Schlafzimmer der Kids, an den Betten der beiden schlafenden Buben – sollen wir sie wecken? Ist es ein Fehlalarm?
Wir ignorieren die Sirenen, doch dann kommen die ersten Posts in den Sozialen Medien aus der Gaza-Nachbarschaft, während die Redaktoren der kuratierten Medien noch ihre Laptops hochfahren. Die verwackelten Videos auf Twitter aus Sderot, die Meldungen von dutzenden und hunderten marodierenden Hamas-Kämpfer in den Kibutzim, Dörfern und Städten rund um Gaza, wecken das Gefühl wie im September 2001, als die Türme des WTC kollabierten: Feinde unserer Welt haben es geschafft, mit ihren grausamen, ja teuflischen Ideen in unsere Realität und in unsere Leben einzubrechen.
Sympathien für den Freiheitskampf und den Protest gegen die Unterdrückung der Palästinenser können in diesem Kontext nicht Thema sein. Hamas hat sich für den geduldigsten Wohltäter aus dem Spiel genommen. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, eintausend Menschen gezielt abzuschlachten und dutzende Geiseln zu nehmen, Kinder und Senioren eingeschlossen, einzig um Horror zu säen.
Die beängstigende Frage heute, ziemlich genau eine Woche später: War das nur der Auftakt eines mächtigeren Plans? Die Führer der Hamas wissen, wenn sie Dutzende Israelis nach Gaza verschleppen und hunderte töten, wird die Regierung Israels (und insbesondere die jetzige rechte Siedler-Regierung) Rache nehmen. In diesem Szenario ist die Hamas krass unterlegen, die Führungsriege wird per Luftschlag oder von Kommandos ermordet werden, mit hunderten anderen Unschuldigen.
Was kann also das Ziel dieses Erstschlags sein? Dass Israel abgelenkt wird, und verletzlich wird an anderen Fronten?
Oder aber, Hamas funktioniert nicht nach unserer Ratio. Der Terrorakt ist ein Terrorakt als End-Ziel. Der Märtyrertod ein Teilziel. Die Annahme, dass ein grösserer Plan dahinter steckt, entspricht unserer Logik. Auf den Angriffsbefehl wartende Truppen im Libanon und in Syrien, oder noch unvorstellbare andere zweite Akte – das entspricht unserer Logik. Der Hamas genügen möglicherweise tatsächlich tausende Tote. Jeder Tote ein Erfolg. Egal ob toter Feind, oder toter Märtyrer.
Nicht wenige Isarelis haben die letzten Tage fieberhaft nach Flugtickets gesucht, um hier wegzukommen. Ungeplanter Herbsturlaub wo auch immer, ein Flugticket einfach nach Georgien, Mailand – Hauptsache weg.
Das habe ich so hier noch nicht erlebt in den letzten 12 Jahren. Und es zeugt vielleicht am meisten von der tiefen Erschütterung und Enttäuschung der Leute hier über die fehlende Souveränität der Armee und Sicherheitsdienste. Der Glaube an die Überlegenheit des israelischen Nachrichten- und Sicherheitsapparats war grenzenlos. Die daraus folgende Überheblichkeit war wohl mit ein Hauptgrund für das Versagen der Landesverteidigung. Selbstüberschätzung und Inkompetenz trifft man hier an jeder Ecke, nur die Landesverteidigung schien bisher eine Ausnahme von der Regel.
Wir haben ein Blick in die Hölle geworfen. Wie das Land hier aus diesem Albtraum erwachen wird – das wird auch entscheiden, ob wir hier bleiben wollen und können. Zuerst warten wir jetzt jede neue Meldung ab, hoffen auf De-eskalation, oder zumindest militärische Überlegenheit, so dass dann in einigen Wochen und Monaten nach der Aufarbeitung dieser Katastrophe ein neues Kapitel aufgeschlagen werden kann … oder dass wir die Hölle wieder Hölle sein lassen, und in unserer Welt und unserer Bubble weiterexistieren.