Esst weiter, Kinder
Woche 2 nach dem Terroranschlag. Die Buben haben keine Schule, waren ein paar Mal bei Freunden und Grosseltern. G arbeitet Abends, wenn’s geht, ich arbeite Abends wenn ich tagsüber mit den Kindern alleine bin.
Sonntag fuhr ich ins Büro (wenig Verkehr, kein Stau!), was sich gut anfühlt, auch wenn da in Süd-Tel Aviv mehr Raketen kommen als bei uns zuhause im Norden von Tel Aviv, wo wir diese Woche einen einzigen Alarm hatten. Zwischendurch wenn ich arbeite, für einzelne Momente, fühlt sich alles an wie ‘normal’, calls mit Europa und den USA. Aber jedes Gespräch dreht sich dann trotzdem wieder darum wie’s uns allen geht, wie schrecklich alles ist, warum wir nicht in die Schweiz fahren. Auf jeden Fall tut es gut, die Furcht und die Ratlosigkeit ob dem was als nächstes kommt mit den Leuten im Büro zu teilen.
Auf dem Heimweg Sonntag sammelte ich unsere beiden Buben ein. “Wir wollen noch was essen,” rief der Kleine, “McDonalds! Bitte bitte ..” Oktober wird es hier dunkel gegen sechs Uhr.
Die Aussicht, in einem McDonalds einen Raketen-Alarm zu erleben, ist wenig reizvoll. In den fünf, zehn Minuten wo man zusammensteht mit Wildfremden, während’s draussen donnert, können natürlich Freundschaften entstehen, aber meist hängt dann jeder an seinem Telefon, und im dümmsten Fall quatschen die Leute rum, wie man Gaza nun ‘ein für alle Mal abstellen’ muss, und ähnliches – was ich meinen Kindern unbedingt ersparen will.
Der Grosse verwechselt noch immer Gaza mit Asien (hebräisch: Asa und Asia). Nur so können wir hier mit Kindern noch sein.
Noch weniger angenehm als Alarm bei McDonalds ist Alarm im Freien, auf der Strasse. Das kenn’ ich, aber die Kids zum Glück nicht. Wenn’s knallt am Himmel, wenn die Raketen abgefangen werden, ist die Illusion weg, dass Gaza in Asien liegt.
Fünf Minuten später war Dominos der grosse Wunsch. Dieser Tage kriegen die beiden mehr Aufmerksamkeit, mehr Pizza, mehr Schokolade, so landeten wir schliesslich im Pizzaladen bei uns im Quartier, ein Takeaway mit zwei grossen runden Tischen draussen auf dem breiten Gehsteig, unter Bäumen.
Als die Familien-Pizza serviert wird, und ich mir schon Vorwürfe mache, dass ich die Pizza nicht nach Hause mitnehme, wo wir unseren kuschligen Privat-Schutzraum haben, wo ich bange dass die Sirenen losheulen könnten – in dem Moment klatscht Vogelkacke vom Baum runter mitten auf unseren Tisch auf den Serviettenhalter. Die Kids fragen, was das war. Ich sage Ihnen es sei irgendwas aus dem Baum runtergefallen, und guten Appetit.
Das Pizzaessen verläuft dann ereignislos, wir gehen spät zu Bett, denn am nächsten Tag haben wir wieder Kriegsfrei …