Kosher Fetish
Tel Aviv ist eine Party-Hauptstadt, das ist bekannt. Heute Morgen hat mich die junge Kassierin im Supermarkt – bleich, zerbrechlich, offenbar aber nicht von schlechtem Elternhaus sondern vom Nachtleben gezeichnet – in ein kurzes Gespräch verwickelt, wie sie merkte, dass ich kein Hebräisch kann.
Ich sage ihr, woher ich komme – und dass ich hier wohne. Sie fragt, wie lange ich schon hier sei. Ich sage ein Jahr. Als wäre das die korrekte Antwort, sagt sie freudig und schnell: Oh, willst du zu einer Party kommen heute Abend? Sie gibt mir den Kassencoupon und einen Kugelschreiber. Die Adresse, Türöffnung ab 2330 Uhr. Dresscode ist schwarz, sagt sie. Ich schreibe ‚black’ auf den Zettel unter die Adresse. Es ist eine Fetisch-Party, sagt sie. Ich schreibe ‚Fetish’ auf den Zettel, sie lacht.
Ich sage ihr, ich lebe mit meiner Freundin hier. Sie sagt, meine Freundin wird die Party super finden, ob ich noch die Nummer des Organisators haben möchte. Ich sage, ja klar, und wenn wir nicht heute kommen, dann vielleicht nächstes Mal. Es sei jeden Donnerstag. Sie sagt es mit einem Lächeln, als sei der Donnerstag ihr wöchentlicher Feier- und Festtag.
Auf dem Weg zurück durch unsere Strasse, mit einem Karton Milch, Cherios, drei Bananen und der Adresse zu einer Fetisch-Party im Einkaufsbeutel, überlege ich, ob ich mich als Neu-Tel Aviver in der Situation korrekt verhalten habe. Hätte ich fragen müssen: was für ein Fetisch? Oder ist das zu akademisch? Wenn ich auf den 400 Metern nach Hause von einem Bus erfasst worden wäre, hätte man den Zettel mit Telefonnummer, Adresse, Black, Fetish gefunden. Meine arme Freundin.
Im heiligsten Land der Welt lädt mich die Kassierin im Lebensmittelgeschäft um 10h morgens zu einer Black-Fetisch-Party ein. Das ist auch Israel, das ist Tel Aviv.