Kriegsalltag

Dienstag. Heute früh hatte es kaum Verkehr unterwegs zur Schule. G und ich fragen uns: Ist’s wegen dem angesagten Regen heute? Ist’s wegen dem Krieg (bleiben Leute zuhause, weil gestern ein Raketenteil in Tel Aviv runtergekommen ist)? Oder ist’s wegen der Feiertage (morgen beginnt Hanukah)? Oder waren wir einfach etwas früher dran, und alle anderen sind etwas später aufgestanden als üblich..?

Alltag.

In unserer Ecke in Israel blieb es auch nach Ende der Feuerpause ruhig. Wir sind eine gute Woche zurück aus der Schweiz, und wir hatten bisher keinen einzigen Raketenalarm.
Die Schule findet auch wieder beinahe im Normalbetrieb statt.
Im Büro geht’s sowieso nicht um Krise, sondern um unsere Präsenz am COP28 Umweltgipfel in Dubai, und um die Planung für 2024. Dubai übrigens ist wieder im normalen Flugplan, anders als Zürich: da fliegt nur El Al hin, weil die grossen Gesellschaften aus dem Westen, auch Lufthansa und mit ihr die Swiss, Tel Aviv weiterhin nicht bedienen.

Freitag. Während Gaza jetzt fein säuberlich plattgemacht wird, können wir wieder in Ruhe unserem Leben nachgehen.

Die Nachrichten von der Front beschränken sich vorwiegend auf Zahlen (und Namen) von Toten hüben wie drüben. Wie man das verdaut und wie nahe das einem geht, ist von vielem abhängig. Heute hörten wir den ganzen Morgen Helikopter kommen und gehen. Es stellte sich heraus, dass die ganze Nomenklatura zu einer Beerdigung hier in unserer Nachbarschaft eingeflogen wurde. Der Sohn eines der israelischen Generäle war am Vortag in Gaza gefallen. Das weckt wieder das Gefühl dafür, wie klein das Land ist, und wie unmittelbar wir von Krieg (und Kriegspolitik) betroffen sind, auch wenn sich der Bombenhagel weiter südlich gut ausblenden lässt.

Alltag?

Mittwoch. Hin und wieder bricht der Krieg ein in unsere Bubble.

Wenn unser Grosser heute Abend nach der Schule eine “Stadt im Untergrund” zeichnet, mit Strichmännchen die hochsteigen aus der Tiefe der Erde mit ihrer Gun, und anderen Strichmännchen oben in den Häusern auf der Wiese in den Hintern schiessen, oder die unten in ihren Untergrund-Häusern furzen, und denen oben stinkt’s – hat das nun mit Hamas-Tunneln zu tun und einem frühen Kriegs-Trauma? Oder wie viel davon ist der Zwergenwelt der Schule und seiner Fantasie geschuldet? Was hat er gehört? Was weiss er, und was bildet er sich ein?

Oder der Krieg bricht ein, wenn gestern in unserer Schule zur Feier von Hanukkah alle Familien der Klasse zusammenkommen, und ich frage den einen Vater, ob sie auch im Ausland waren – und er antwortet, er ist seit 2 Monaten alleinerziehender Vater, weil seine Frau im Krieg ist.

Auch wenn der junge Nachwuchs-Meerresbiologe-Hippie ins Büro reinschneit, und sich zurückmeldet mit kurzer Umarmung für alle, nächste Woche ist er wieder auf der Luftwaffen-Basis, um Raketen aus US-Fliegern aus- und in israelische Kampfjets einzuladen…

Alltag?

Sonntag. Als wir schon im Bett liegen, rumpelt es am Himmel über uns, wie bei einem Gewitter. – Ein Blick auf’s Telefon bestätigt: Tel Aviv hat Alarm, und wir hören den Donner der Abfang-Raketen.

Montag. Am Morgen dann, wenn wir zum Frühstück in die Küche kommen, tollen unsere beiden jungen Katzen vor der Haustür in der Sonne, und betteln um Futter…

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