Memorial Day, So 4. Mai 2014
Heute trauert Israel um seine gefallenen Soldaten. Als ich das erste Mal dabei war, wie Tausende zur Feier auf dem grossen Rabin-Platz strömten, fehlte mir die Volksfeststimmung, es gibt keinen Grill-Stand von Bell am Strassenrand, keine T-Shirts und Ballone und keine Feldschlösschen Bierzelte. Gabi meinte: „It’s not a celebration!“ Es gilt ernste, fast heilige Trauerpflicht für’s ganze Land. Alles ist geschlossen heute Abend, Läden, Kioske, Bars, Restaurants.
Zur Bekräftigung und Bestätigung dass die gefallenen Soldaten nicht umsonst ihr Leben liessen haute Netanyahu die Schlagzeile raus: „Israel ist die Heimat eines Volkes – der Juden.“ Purer Rassismus.
Ich whatsappte die Schlagzeile an Freunde. „Jude sein ist eine Frage der Einstellung,“ schrieb eine zurück. „Aber ich mag die Schweizer,“ schrieb eine andere.
Die linke Politik schrie auf, man werde keine Einschränkung demokratischer Grundwerte zulassen, Israel sei ganz zuerst eine Demokratie mit gleichen Bürgerrechten für alle und erst dann die Heimat der Juden etc etc.
Und ich sitze in unserem Garten und gegen acht wird es still auf der Strasse, die lauten Dieselbusse fahren nicht mehr.
Leute spazieren die Strasse runter, in Richtung Rabin Platz.
Um 20 Uhr heult die alles betäubende Kriegs-Sirene los, ein langgezogener schriller ton, nicht das auf und ab der Raketenalarme. Alles steht still. Eine Minute lang heult ganz Israel, wer am Tisch sitzt, steht auf, wer im Auto unterwegs ist stoppt, steigt aus. Ich im Garten. Gizmo der Kater miaut.
20 Uhr 01 Autotüren fallen zu. Motoren heulen auf, die paar wenigen Autos und Busse auf der Dizengoff fahren weiter.
Von der Klagemauer mit Staatspräsident und Ehrengarde geht’s via Schaltung ins TV-Studio raus zur Live-Schaltung von der Feier in Rishon Le Zion, eine Stadt südlich von Tel Aviv.
Auch hier in Tel Aviv auf dem Rabin-Platz wird mit Kerzen, Streichern und sehr mittelmässigen Sängern vor Videowänden den Soldaten gedacht. Gespielt werden Lieder, die für Aussenstehende wie mich wie schlechter Heimatpop klingen, die aber für Israelis sentimentale Herzensangelegenheit sind, nicht zuletzt weil sie jedes Jahr an Memorial Day vorgetragen werden.
Auf den Videowänden und zuhause im Fernsehen werden zwischen den Songs und Reden die Porträts gefallener Soldaten und ihre Geschichte in 3:30′ Form vorgestellt: Mama erzählt eine Anekdote, Kinderfotos werden eingeblendet, Papa erzählt eine Geschichte, Fotos, mit Kameraden, mit der Freundin, dann weinen sie und die Streicher setzen ein fürs nächste Lied.
Schnitt ins Publikum zu weinenden schönen Menschen, die ich oder du sein könnten, die alle diese Lieder im Herzen tragen, und die weinen weil sie diesen Soldaten auf der Videowand gekannt haben, oder weil sie einen Bruder, Onkel oder Cousin haben der im Krieg gefallen ist, oder ganz einfach weil alles so traurig ist.
In den USA ist Memorial Day der Tag für BBQs und Shopping. Hier ist es das sehr lebendige Ritual einer Nation in ständiger Kampfbereitschaft. Nach dem Krieg ist vor dem Krieg.

Memorial Day Zeremonie auf dem Rabin Platz (2012)