Dass sie hier schwarze Lindt-Schoggi und Gruyère im grossen Stil importieren, geniesse ich sehr (auch wenn’s in der Schweiz gekauft besser schmeckt).

Die Begegnung mit Daniel Freitag bei der Eröffnung eines Freitag Popup-Stores fand ich grossartig. Diese Züri-Ikone an der Dizengoff zu sehen machte mich stolz (auch wenn die Taschen seither bei uns um die Ecke im Laden verstauben. Trotz der vielen Schwulen: die Tel Avivis sind komplett ahnungslos was Design und Qualität betrifft und träumen nicht mal davon, für Lifestyle-Zeugs viel Geld auszugeben.)

Was fehlt sind Kleinigkeiten wie Ovoschoggi, Bratwürste oder Cervelats, Kirsch, Tommy Mayonnaise, Nüsslisalat oder Sprüngli. Das bring’ ich mir mit und geniess es umso mehr, wenn ich in Zürich bin.

Das ist ja auch das Schöne daran, nicht zuhause zu sein. Dass man das Kirchenglockengeläut am Sonntag Morgen in Zürich vermisst.  

Dass die UBS hier neuerdings gross auffährt, das stört mich nicht weiter. Die haben’s auf die israelischen Millionäre abgesehen (jetzt wo das Bankgeheimnis futsch ist, muss man sich wohl neu organisieren und dem Geld nachreisen, es fliesst nicht mehr wie von alleine an den Paradeplatz).

Aber dass ein Bindella hier ein Restaurant eröffnen will… Vielleicht war’s ja nur eine 20minuten-Geschichte (“voraussichtlich im Oktober”). Aber ganz aus der Luft gegriffen scheint’s nicht: Eine Freundin, die im Herbst hier nach Tel Aviv übersiedelt, hat sich vom Bindellaspross schon einen Job versprechen lassen.

Es ist nichts persönliches. Aber wenn der sich hier wohl genug fühlt, um einen Laden zu eröffnen, dann ist das eine Form der Gentrifizierung, die ich genausowenig mag wie die Kreis 4-Bewohner in Zürich und die Kreuzberg-Bewohner in Berlin. Ich will keinen Züri-Chic hier.

Restaurants gibt’s hier wie Sand am Meer. Den perfekten Italiener habe ich tatsächlich noch nicht gefunden. Aber den gibt’s doch sowieso nur in Italien, oder?

Ich wünsche Bindella, dass er nicht über den Tisch gezogen wird von den Israelis – es herrschen keine Zürcher Bedingungen hier. Wenn er’s tatsächlich schafft, hier einen erfolgreichen Italiener aufzumachen: Danke!

Monday Night Skate ist hier Tuesday Night Skate. Erinnert mich auch an Zürich.

Trotz Monaten in der Sprachschule reicht mein Hebräisch noch nicht viel weiter als bis ‘Kaffee schwarz’. Schriftlich kommuniziere ich mit Hilfe von Google’s Übersetzungs-App. Telefongespräche vermeide ich nach Möglichkeit. Was unter anderem ein Handicap ist, weil hier viel, gerne und günstig Essen nach Hause bestellt wird.

Letzte Woche, home alone, rief ich bei Domino’s an und bestellte eine PIzza (irgendwann musste ich mich dieser Situation stellen).

Eine hungrige halbe Ewigkeit nach dem Anruf kam eine SMS von unbekannter Nummer und ich liess Google übersetzen. “Domino’s Apostel wird gleich mit Dir sein,” wurde mir verkündet. Natürlich! Heiliges Land! Ich jubilierte. Der Apostel brachte mir eine Familienpizza mit Peperoni – blieb aber nicht zum Essen.

 

 

In unseren Schweizferien wundern wir uns über das menschenleere Zürich, bis mir in den Sinn kommt: Sommerferien! Strandferien, Wanderferien, Camping, Kulturreisen, Abenteuerreisen: Der Zürcher fährt und fliegt weg. Gabi kann’s kaum glauben. Hier in Tel Aviv ist jetzt auch Schulfrei. Man merkt’s an den vollen Malls, Kinos, Highways, Stränden.

Familien verbringen den Tag gerne im klimatisierten Shoppingcenter. Draussen ist’s zu heiss. (Grosses Gesprächsthema sind die tragischen Schlagzeilen von Babies, die auf dem Rücksitz im Auto ‘vergessen’ werden und auf dem Parkplatz an Hitzschlag sterben. Vier tote Kleinkinder allein in den letzten fünf Wochen.)

Man fliegt hier nicht weg. Strand? Meer? Sonne? Hitze? Haben wir alles hier. Wohin also ausfliegen? Ausserdem ist Wegfliegen gemessen am Einkommen schweineteuer. Wer wirklich gut Kohle hat, der fliegt natürlich trotzdem weg. Aber die Mehrheit bleibt hier.

Wir sind noch schön braungebrannt von unsrer Woche in der Schweiz (die Israelis staunten).

Let’s go to the Mall! Schöne Ferien!

 

 

Ich mag die schwere Kraft der israelischen Hymne Ha’tikva (übersetzt: die Hoffnung). Die Melodie spielt in einer Tonart reserviert für Melodrama. Nur eine Handvoll anderer Nationalhymnen weltweit sind in Moll gehalten (Irak, Tadjikistan et al).

Der Text der Ha’tikva endet in einer Art stolzen Durchhalteparole: Die Hoffnung auf ein Leben als freies Volk in unserem Land (Zion, Jerusalem) ist nicht verloren, “solange noch im Herzen eine jüdische Seele wohnt”.

Hier die israelische Hymne, präsentiert von Néstlé:

Wir waren heute beim Botschafter geladen zum 1. August-Empfang mit Raclette, Schweizer Weissem und eben den beiden Hymnen ab Band (zuerst Israel, dann die Schweiz). Niemand hat mitgesungen. Weder bei den wenigen Israelis noch bei den zahlreicheren Schweizern regte sich was. Ich war enttäuscht. Ich vermute, es gehört zum diplomatischen Protokoll. Die Mehrzahl der Gäste waren Geschäftsträger anderer Länder.

Als ich die Schweizer Hymne dann zuhause anstimme, ist Gabi erstaunt ob all der Beterei und Gottesfürchtigkeit in unserem Psalm. Hier im Heiligen Land zu sitzen, von frommen Seelen und betenden freien Schweizern zu singen, kommt mir auch eigenartig vor. Jetzt alle zusammen:

«Trittst im Morgenrot daher,
Seh’ich dich im Strahlenmeer,
Dich, du Hocherhabener, Herrlicher!
Wenn der Alpenfirn sich rötet,
Betet, freie Schweizer, betet!
Eure fromme Seele ahnt
Eure fromme Seele ahnt
Gott im hehren Vaterland,
Gott, den Herrn, im hehren Vaterland.»

Update vom Sept 2013: Der Tagi publiziert ein Interview mit einem Lukas Niederberger, der per 1. Januar 2014 eine Initiative startet, um die Hymne zu modernisieren. Weil sie “eine Kreuzung aus Kirchenlied und Wetterbericht” sei und nicht zeitgemäss (hier geht’s zum Interview).

pendler

Seit März pendle ich Sonntags nach Haifa zur Arbeit. Auf dem Bahnhof gibt’s die Gratiszeitung. Mein Zug fährt meist pünktlich.

Für Israelis ist Zugfahren eine neue Mode. Vor bald 100 Jahren, als die Eisenbahnverrückten Briten hier waren, gab’s ein Streckennetz zwischen Damaskus, Beirut, und Kairo mit täglichen Verbindungen via Haifa, Tel Aviv und Jerusalem von einer Grosstadt zur anderen. Nur als naiver Schweizer kann ich heute davon träumen, in zwei Stunden von Tel Aviv nach Damaskus oder Beirut zu flitzen.

Im Abteil gibt’s eine Steckdose für den Laptop und man kann sich unterwegs über Wlan ins Gratis-Internet einklinken. Chapeau, Israel.

Nach der Unabhängigkeit Israels wurde das Streckennetz vernachlässigt, der teure Ausbau aufgeschoben. Busse waren das Transportmittel der ersten 50 Jahre Israel. Erst seit 20 Jahren feiert die Eisenbahn ein Comeback. Irgendwo lese ich: Anfangs 90er reisten noch 2-3 Millionen Passagiere pro Jahr mit dem Zug. Heute sind es gegen 40 Millionen.

Viele schimpfen über Verspätungen, Streiks und spontane Fahrplanänderungen. Ich kann das nicht bestätigen. Den 7 Uhr Zug teile ich vor allem mit den vielen Soldaten, die Sonntags aus dem Wochenende zurück in ihre Kasernen im Norden einrücken.

Am Streckennetz wird fleissig weitergebaut. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass ich irgendwann in einer friedlichen Zukunft mit dem Zug nach Beirut fahren kann für einen Theaterabend.

Nach Shabbat am Meer in der Sonne, am wilden Strand, mit dem Auto gut eine Stunde nördlich von Tel Aviv, Richtung Haifa, Richtung Libanon, stehen wir auf einem sandigen Parkplatz in den Dünen. Wir sind mit einer Handvoll Freunden in zwei kleinen Stadtautos unterwegs. Wir haben Hunger.

Wir waschen uns mit sonnenwarmem Wasser aus der Flasche das Salz vom Gesicht. Der Parkplatz ist schon beinahe leer, obwohl die Sonne noch recht hoch am Himmel steht. Viele sind schon auf dem Heimweg. Shabbat endet – und die neue Woche beginnt – mit Sonnenuntergang. Wir sind hungrig auf Hummus, Chips, Salat.

Israel ist munzig wie die Schweiz. Hier im Norden steht alle drei Kehren auf der Landstrasse ein Dorf. Wo in der grünen Schweiz in der Dorfbeiz Wurstsalat auf Papier-Platzdeckchen serviert wird, gibt’s hier einen offenen Imbiss mit schmuddeliger Theke, mit Hummus, Pita, Fleisch vom Drehspiess oder Falafel im Angebot und Blechtöpfchen voller Essiggemüse und Oliven als Beilage. Man sitzt auf weichgesessenen Plastikstühlen an Plastiktischen im Staub.

Wir werweissen, wo wir essen gehen. Man kennt sich aus am Strand, aber keiner von uns kennt einen guten Laden hier in der Gegend.

Ich sage, an der grossen Kreuzung wo’s zur Autobahn nach Tel Aviv geht, da haben wir letztes Jahr unseren Sonnenschirm gekauft, die waren nett, da gibt’s auch einen Imbiss nebenan.

Die ganzen Läden da an der grossen Kreuzung werden von Arabern betrieben.

Schon beim Zigarettenholen am Kiosk war mir aufgefallen, wie anders die Welt hier oben im Norden tickt. Weicher, weniger hart als in Tel Aviv. Weil das Araber sind? Oder sind’s einfach nur die Landeier? Aufm Dorf im Zürcher Oberland ticken die Leute auch anders als an der Langstrasse.

An Tel Aviv hab ich mich gewöhnt. Eine Stunde weg mit dem Auto bin ich komplett in der Fremde.

Wir hatten letztes Jahr da an der Kreuzung gehalten, eben um einen Sonnenschirm zu kaufen. Gabi wartete im Auto. Der Laden da ist ein übergrosser Unterstand, eine kleine Lagerhalle mit Wellblechdach, vollgepackt mit Plastik und Blech, Zeugs und Mobiliar für Haus und Küche. Strand-Utensilien stehen zuvorderst, für die Städter die hier am Wochenende langfahren zu den abgelegenen Stränden. Für uns.

Ich fragte erst noch einen Typen der da rumstand und rauchte, was er an Auswahl hätte. Er wusste nichts zu sagen. Also wählte ich einen Schirm mit grünen Palmen auf Meerblau, made in China, und brachte ihn zur Kasse. Ich musste warten, die Frau an der Kasse war mit einem anderen Kunden beschäftigt. Ein Junge reichte mir ein kleines Glas arabischen Kaffee. Ich verstand nichts von seinem Hebräisch, fühlte mich erst als Tourist und dann doch als Besatzer, bezahlte, wollte nichts falsch machen, wollte auch nicht beschissen werden und zu viel für den Schirm bezahlen, dachte, das ist die Arabische Art, man kriegt Kaffee. Nett sind sie. Versuchte noch zu handeln, zählte mein Wechselgeld.

Erst als ich wieder ins Auto stieg ging mir auf, dass ich dem Junge was hätte geben sollen. Ich fühlte mich schlecht. Typisch, Städter, reich, ohne Anstand und ohne Respekt. Der Junge dachte wohl: Es stimmt schon, was sie über die Juden sagen.

Ich fühlte mich, als hätte ich eine Gelegenheit verpasst, etwas für den Frieden zu tun.

Das war letztes Jahr. Ich wollte gerne dahin zurück. Auch zum Kiosk, zum Imbiss. Diese andere Welt hier kennenlernen, die mir noch immer fremd ist. Und wenn ich’s mir recht überlege: die mir irgendwie immer fremder wird.

Unsere Freunde wischen auf ihren iPhones herum, mein Vorschlag wird nicht gestützt. Niemand will da hin. Man sehe an dem Imbiss da nie Leute sitzen, sagt der eine. Das sei ein schlechtes Zeichen.

Alle versuchen, auf Google Maps eine Empfehlung für Hummus Chips Salat zu bekommen. Ich sage: Leute, hier hat’s ein Dorf am andern, lasst uns einfach reinfahren und irgendwo halten.

Einer sagt: Die mögen uns nicht hier in den Dörfern. They don’t like us here.

Ich sage nichts mehr. Wir fahren schliesslich los, dem anderen Auto hinterher. Sie haben angeblich auf Google was gefunden.

Nach zwanzig Minuten auf der Autobahn Richtung Tel Aviv biegen sie bei einer Autobahntanke ab, wir folgen ihnen, um zwei Ecken in einen alten Industriepark, auf einen riesigen verlassenen Parkplatz. Am einen Ende stehen einstöckige lange Barracken.

Unterm Dach hängt ein grosses Schild: Hummus Olga. Russischer Hummus.

Geschlossen an Shabbat.

Ein Doktor Kollega von Gabi, auch Assistenzarzt, ist Kampfpilot bei der Luftwaffe. Ein wahres Alphatier. Es gibt wenig was hier mehr zählt als der Pilotenschein der IAF, der Israeli Airforce. Er ist ein netter Kerl mit eisblauen Augen. Wenn er mal wieder ein paar Tage auf Arbeit fehlt, und danach liest man über Detonationen in Syrien oder Gaza, denkt man sich seinen Teil.

Syrien 2013-05-26

Auf Spiegel.de wird ein hochrangiger syrischer Politiker zitiert: Syrien werde sein Volk mit allen verfügbaren Mitteln verteidigen. 

Aus einem Email an meine Mutter streiche ich diesen Satz: “Es sind alle bisschen angespannt heute wegen der Ereignisse in Syrien, man befürchtet eine Eskalation in den nächsten Tagen… Hoffen wir, dass es nicht gefährlich wird.”

Syrien 2013-05

Im Büro plaudern wir über den bevorstehenden Krieg. – Dann bittet mich S, positive Quoten über Israel zusammenzufassen für einen Blogpost auf der Firmenseite. 

Manchmal komme ich aus dem Staunen nicht mehr heraus hier. 

Besuchen Sie Tel Aviv, solange es noch steht! – Es drohen nicht nur Iran und unfreundliche Nachbarn. Wenn die sicherheitspolitische Situation verhältnismässig ruhig bleibt, werden bald gigantische Urlauberwellen unser Tel Aviv auslöschen.

Bild.de bejubelt am 30. April Tel Aviv

Letzte Woche hat El Al per tagelangem Streik erzwungen, dass die Regierung die nationalen Fluggesellschaften weiterhin vor europäischer Konkurrenz schützt. Wenn auch weniger als bisher. Denn das Open Sky Abkommen mit der EU erlaubt europäischen Fluglinien erleichterten Zugang zum israelischen Markt. Das bedeutet mehr Konkurrenz für den Platzhirsch. Und tiefere Preise für uns.

Die israelischen Fluggesellschaften lärmten und drohten: Mehr Markt und sinkende Preise seien gut und recht – in Friedenszeiten. Aber spätestens beim nächsten Krieg würden die Europäer Israel vom Flugplan streichen. Eine starke El Al sei unerlässlich, um das Land auch in Kriegszeiten mit zivilen Flügen zu versorgen. (Nach dem Krieg ist vor dem Krieg.) Ausserdem müssten die israelischen Fluglinien viel mehr Geld in Sicherheitsmassnahmen stecken als die Konkurrenz, darum seien sie halt eben teurer. Kurz: Flüge nach Tel Aviv werden in absehbarer Zukunft billiger werden. Ich bin für Wettbewerb und günstige Flugtarife.

Diese Woche rückte ein Zeitungsartikel aus dem alten Europa die Diskussion in ein ganz neues Licht. Die deutsche Bild-Zeitung (verkaufte Auflage: 2.5 Millionen) titelt: “Schlecht drauf? Probieren Sie diese Stadt!  – Eine Therapie namens Tel Aviv.” Ich konnte den Artikel nicht lesen, ich hörte furchtbaren Lärm draussen, rannte ans Fenster und sah auf der Baselstrasse einen grölenden Trupp Deutscher therapeutische Fläschchen Jägermeister an Eingeborene ausgeben. Wenn bald täglich Billigflieger voller Bild-Leser in unserer schönen kleinen spinnerten Stadt landen, dann muss ich wegziehen. Vor allem, wenn die noch “schlecht drauf” sind und hier zur “Therapie” anreisen. Das kann nur übel enden. Siehe andere Urlaubsziele am Mittelmeer.

Retten kann uns jetzt im Prinzip nur noch ein nächster kleiner Krieg, damit die Bild wieder über “feige Bus-Bomber” und “Luftalarm in Tel Aviv” schreibt (das waren die anderen beiden Tel Aviv-Artikel der letzten sechs Monate auf Bild.de). Und nicht darüber, wie das Meer hier “in der Luft liegt” und wie man sich hier “leicht und glücklich fühlt wie ein Schmetterling”. Gott behüte.

Der «Playboy» ist auch nicht mehr, was er mal war. Trotzdem. Hier, in unserem kleinen französischen Cafe Colette an der Baselstrasse, wo altes Tel Aviver Geld verkehrt und Internetmillionäre sich breit machen; wo man im Mercato Gruyère, Brie und Pasta al Tartufo shoppt; im Haus neben unserem Buchhändler Chaim, wo man den New Yorker und die französische oder amerikanische Vogue mitnimmt; in der Strasse, wo es für Jungmütter und Grosseltern eine ganze Reihe Boutiquen mit Accessoires und Babyklamotten für Enkel/Kinder gibt (beinahe-chic, billig gemacht und überteuert wie das meiste in Tel Aviv); wo zwar nicht Nespresso Maschinen und Kapseln verkauft, aber die Kopie EspressoClub; in unserem unschuldigen kleinen Café Colette geführt von der Riesigen Matrone, wo je nach Wochentag der schwule gepiercte Schlaks mit den kurzen graumelierten Haaren und dem Modebart, oder die kleine süsse Studentin (knapp 18 und bald in der Armee) mit den weit auseinanderliegenden Mandelaugen, servieren; keine fünfzehn Minuten weg vom Orthodoxenquartier, wo die Männer mit Hut andere Frauen nicht mal ansehen, wenn sie mit ihnen sprechen, wo sich am Shabbes niemand mit dem Auto reinfahren traut, weil niemand ungestraft die biblische Ruhe bricht… In dem Kaffee hier also liegt der Playboy auf.

Es liegt einfach mehr drin hier. Es kommt so oft so viel so überraschend zusammen hier, im Kleinen wie im Grossen. Charakter zeigen fällt nicht auf. Kein Profil zeigen fällt auf. Dafür liebe ich das Leben hier. (Die Croissants im Colette sind anständig, das Frühstück ist nicht besonders toll im Vergleich, aber es ist der einzige Ort wo ich den Cafe Americano trinke ohne das kleine Milchkännchen anzurühren, lang, schwarz, kein bisschen bitter.)