Der schönste Tag

Ich sitze auf der Terrasse des Loveat beim Lunch. Plötzlich tauchen wieder Kamerateams und Profi-Fotografen mit langer Linse auf. Ein dicker weisser Audi mit Blumendeko auf dem Kühler fährt vor: Noch eine Hochzeit. Das Brautpaar steigt aus, die Paparazzi geben Anweisungen, lächeln, küssen, Hand-in-Hand gehen. Anders als in der Schweiz, führt hier in Israel kein Weg an der Norm-Hochzeit vorbei. Die Norm ist: die Familien laden mehrere hundert Gäste zu Essen, Rabbi und Musik in eine der Event-Hallen. Davor absolviert das Brautpaar den Foto-Shoot und Filmdreh auf der Dizengoff-Strasse, am Meer im Abendlicht und in der Altstadt in Jaffa. Im Frühjahr vergeht hier kein Tag ohne Shooting.

Einige tausend israelische Paare im Jahr entziehen sich diesem Druck von Religion und Tradition und fliegen für ihre Trauung nach Zypern. Das ist der einzige Weg am Rabbi vorbei, die Trauung im Ausland der einzige Weg zur Ziviltrauung (in Israel dürfen nur die religiösen Autoritäten Ehen schliessen – und auflösen). Mangels Ziviltrauung in Israel ist es auch der einzige Weg für Paare mit einem nicht-jüdischen Partner. Bereits zwei meiner Bekannten aus der Ulpan waren «auf Zypern». Sie kamen nicht besonders glücklich zurück. Charterflug voller ungläubiger Paare hin, fünf Minuten in einem zypriotischen Amt, Charterflug zurück: So hatten sie sich ihren schönsten Tag nicht vorgestellt.

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