So viel Kredit!
Kulturschock! In Israel prüft kein Verkäufer meine Unterschrift, wenn ich mit Kreditkarte zahle! Was ist denn hier los? Der Schweizer in mir versteht das nicht. Da könnte ja jeder kommen!
Vielleicht geht die Erklärung dafür so: Das kleine Land Israel lebt von gegenseitigem Vertrauen, überliefert aus den Gründerjahren, als die Kibbuzim als Kooperativen funktionierten. Als man sich das Einkommen aus den verkauften Orangen teilte und gemeinsam im Speisesaal zu Abend ass. “Mein jüdischer Bruder wird mich nicht betrügen. Wir sind eine grosse Familie!”
Oder so: Polizei und Geheimdienst haben einen perfekten Überwachungs- und Repressionsapparat aufgebaut, um den Terrorsumpf auszutrocknen. Und im Vorbeiweg haben sie auch die Kleinkriminalität abgeschafft. Es ist hier alles so gut überwacht, dass man mit dieser plumpen Art des Diebstahls nicht davonkommt.
Wahrscheinlich ist das alles viel zu weit gesucht. Es muss nicht alles hier mit dem ‘Konflikt’ oder mit den Mythen aus der Gründerzeit erklärt werden. Der von Haus aus maximal pragmatisch, praktisch und ökonomisch handelnde Israeli denkt sich wohl schlicht und einfach: Wenn einer die Unterschrift fälschen will, ist das ein Leichtes. Also was soll ich mir die Mühe machen, das zu überprüfen? Ich mache mich ja nur lächerlich.
Ein ganz kleines bisschen staunt der Schweizer in mir auch nach Monaten noch, dass ich davonkomme mit einem hingezeichneten Kreuzchen auf dem Kreditkartenbeleg. Einem Blümchen. Einem Sternchen… Und dann bin ich glücklich, hier leben zu können. Und ich denke an all die Spiesser in der alten Welt, die sich empören, wenn ihre Unterschrift nicht geprüft wird, weil die Regeln nicht befolgt werden – und ich vermisse dieses Denken kein bisschen.